Viel zu aufgeregt!

Die Stimmung ist gereizt, nicht nur in Sachsen, wenn es um den Wolf geht.

Seien es Nutztierrisse, sei es ein in der Vorweihnachtszeit unter mysteriösen Umständen geschossen aufgefundener Wolf, der sofort zu einer pauschalen Verurteilung „der Jäger“ führte, ohne dass bisher ge- oder erklärt werden wurde, ob dieser Wolfswelpe auch an dieser Stelle zu Tode gekommen war oder nicht.

Sei es ein tragischer Unfall mit ausgebrochenen Pferden, in dessen Umfeld es bis heute zu Diskussionen und Auseinandersetzungen kommt, die bei entsprechender Gesprächs- und auch Klärungsbereitschaft ALLER daran Beteiligten nicht erforderlich wären. Hier sollte es nicht um medialen Gewinn, sondern um Aufklärung gehen, um bei Kenntnis der Ursachen solche Ereignisse in Zukunft vermeiden zu können.

Sei es wie in Hoyerswerda, ein übel zugerichteter Hund in einer Tierpension. Da war sich der Veterinär sehr schnell sehr sicher, dass die Bissspuren an diesem Schäferhund nur von einem Wolf stammen konnten.

In allen drei Fällen begann eine irrationale Welle von Vermutungen und Gerüchten durch das Land zu schwappen, die bei sachlicher Betrachtung nicht nachvollziehbar war. Alle Foren im Dunstkreis der Themen Wolf, Jagd oder Tierschutz füllten sich mit den abstrusesten Vermutungen über Ursache, Hergang und Schuldige, neue Einträge erschienen im Minutentakt.

Nur zum Hund in Hoyerswerda wären bei nüchterner Überlegung einige Fragen zu stellen gewesen:

-Welchen Grund soll ein Wolf (oder gar mehrere Wölfe) haben, in einen bisher als ausbruchsicheren Zwinger einzudringen, um seinen domestizierten Anverwandten derart bestialisch umzubringen? Objektiv keinen, denn die auf den publizierten Bildern sichtbaren Verletzungen deuten auf schlichten Kampf, nicht aber auf Beutetrieb und Hunger hin. In freier Natur und im Streifgebiet eines Wolfsrudels hätte auch ein Schäferhund schlechte Karten. Wölfe, die Haushunde in ihr Beutespektrum aufgenommen haben, sind hier in der Lausitz (glücklicherweise noch) nicht vorgekommen.

-Wie soll Isegrim unbemerkt und ohne Spuren zu hinterlassen in den Zwinger eindringen und ebenso wieder verschwinden? Bevor ein Wolf eine Umzäunung überspringt, um an eine Beute zu gelangen, versucht er zumeist, diese Hindernisse zu unterwühlen – hat jemand danach gesucht?

-Waren zur gleichen Zeit gleich große oder stärkere Hunde in der Tierpension, die in der Lage waren, diesen Hund zu töten.

-Warum hat man sich nicht sofort darum bemüht, diesen traurigen Vorfall aufzuklären?

Die beiden letzten Fragen können nur die Betreiber der Anlage selbst beantworten.

Das jetzt bekannt gewordene Ergebnis der erforderlichen Untersuchungen konnte schwerlich anders ausfallen, was angesichts der medialen Fieberkurve wiederum zur fröhlichen gegenseitigen Verdächtigung führt.

Sicher hat manche Verlautbarung des sächsischen Wolfsmanagements und seiner handelnden Personen in der Vergangenheit nicht eben zu dessen Glaubwürdigkeit beigetragen, doch ebenso dürfen sich vieler Stammtischredner (aller Fraktionen) fragen, ob sie mit ihren teilweise unverantwortlichen Absonderungen zu einer konstruktiven Diskussion beigetragen haben.

Etwas weniger Aufgeregtheit könnte uns allen helfen. Wir leben in einer Kulturlandschaft, die über viele Generationen entstanden ist. Wir können sie nicht innerhalb einer Genration sich selbst überlassen. Sie braucht Naturschutz, siebraucht Artenschutz, und entgegen einigen ideologisch geprägten Randmeinungen:

Sie braucht die Jagd.

Was sie nicht braucht, sind Experimente am lebenden Organismus ohne Rücksicht auf mögliche Folgen. Die daraus entstehenden Konfliktfelder sind internationalen Experten lange bewusst. Nur scheint diese Kunde noch nicht nach Deutschland gedrungen zu sein.

Es mag amüsant und publikumswirksam sein, zu Gunsten der Großen Hufeisennase Radarfallen aufzustellen. Einer Nahrungskette einen Spitzenprädatoren nach 200 Jahren massiver Veränderung von Landschaft und Tierwelt wieder an die Spitze zu stellen, weil er „ja schon immer da war??“, ist schlicht unverantwortlich.

So lange die Verantwortlichen nicht bereit sind, darüber nachzudenken und ihr Handeln den Erfordernissen anzupassen, wird sich die Aufregung nicht legen.